New Normal: So geht flexibles Arbeiten

Der Blick auf die Uhr ist fixer Bestandteil des Arbeitstags – die Zeit trennt Privat- und Arbeitsleben. Doch keineswegs für jeden Arbeitnehmenden in derselben Weise: Die zahlreichen Optionen zum zeitlich flexiblen Arbeiten haben die Bandbreite der möglichen Arbeitszeiten und -orte mittlerweile enorm erweitert. In Deutschland sind flexible Arbeitszeitmodelle fest verankert: 49 Prozent der Erwerbstätigen kann sich hierzulande die eigene Arbeitszeit mehr oder weniger flexibel einteilen.  

Leserinnen und Leser dieses Artikels erfahren 

  • was flexibles Arbeiten eigentlich genau bedeutet, 
  • welche Beispiele und Modelle für flexibles Arbeiten es gibt und wie sich diese unterscheiden, 
  • welche Vor- und Nachteile mit verschiedenen Modellen flexibler Arbeitszeiten verbunden sind und 
  • was es bei der Einführung von flexiblen Arbeitszeiten zu beachten gilt.  

Schneller Einstieg: Was heißt eigentlich flexibles Arbeitszeiten?

Der Klassiker unter den Arbeitszeitmodellen, die Normalarbeitszeit, füllt zu fixen Zeiten an festen Tagen zwischen 35 bis 40 Wochenarbeitsstunden. Flexible Modelle hingegen weichen die zeitlichen Grenzen wie etwa beim 9-to-5-Job auf. Bei drei Parametern gibt es Spielraum: Wochentage, an denen gearbeitet wird, Start- und Endzeit am Arbeitstag sowie Umfang der täglich zu leistenden Stunden 

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) definiert Arbeitszeit beispielsweise dann als flexibel, wenn  

  • ein Arbeitszeit- oder Gleitzeitkonto vorliegt,  
  • die Arbeitsstundenzahl zwar festgelegt ist, dabei aber die Stunden über den Tag hinweg flexibel eingeteilt werden können oder 
  • die Arbeitszeit frei gestaltet werden kann. 

Darüber hinaus kann flexibles Arbeiten natürlich auch in Hinblick auf die Ortsachse betrachtet werden: Ist Remote-Arbeit etwa aus dem Homeoffice möglich – und wenn ja, an wie vielen Tagen? Oder müssen alle Arbeitnehmer an jedem Arbeitstag im Office präsent sein?  

Basiswissen: Diese 9 flexiblen Arbeitszeitmodelle sollten Sie kennen

Für einen schnellen Überblick haben wir die gängigsten 9 Modelle flexibler Arbeitszeiten für Sie nachfolgend zusammengefasst:   

  1. Gleitzeit
    Für einen Job, bei dem täglich acht Arbeitsstunden geleistet werden müssen, setzt der Arbeitgeber im Gleitzeitmodell eine Kernarbeitszeit fest. In dieser müssen sämtliche Arbeitnehmer anwesend sein, beziehungsweise in diesem Zeitrahmen ihre Arbeit verrichten. Jene Arbeitsstunden, die darüber hinaus täglich noch zu leisten sind, können beliebig eingeteilt werden – meist innerhalb von sogenannten Gleitzeitspannen. Arbeitszeitkonten unterstützen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dabei, den Überblick über Minus- oder Plusstunden zu behalten. Häufig gibt es hierfür fixe Ober- und Untergrenzen. 
    Gleitzeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Bringt Hendrik die Kinder zur Kita und arbeitet dafür von 10:00 bis 17 Uhr, funktioniert das mit diesem Modell genauso wie für Frühaufsteherin Jana, die ab 8:00 bis 15 Uhr im Office ist. Während der Betrieb zwar von motivierteren Mitarbeitern profitiert, entsteht im Zuge der Arbeitsorganisation ein etwas höherer administrativer Aufwand. 
  2. Funktionszeit
    Dieses Arbeitszeitmodell gleicht dem Gleitzeitmodell in weiten Teilen, bietet Mitarbeitern jedoch ein Plus an Autonomie und Eigenverantwortung. Zentral ist hier der Teamgedanke: Festgelegte zeitautonome Arbeitsgruppen teilen Arbeitszeit, Urlaubstage und Präsenzen in Abstimmung gemeinsam ein. Innerhalb der vom Arbeitgeber vorgegebenen Funktionszeit, ähnlich der Kernarbeitszeit, garantieren sie dabei jeweils für die Einsatzfähigkeit bestimmter Bereiche – eine beliebte Variante im Bankensektor, bei Dienstleistern und Versicherungen.
    Gleitzeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Mitarbeitende verfügen über großen Spielraum, ihre Arbeitszeit zu gestalten – Grundvoraussetzung hierfür sind ein harmonisches Teamgefüge, gute Kommunikation und eine solide Vertrauensbasis auf Seiten des Arbeitgebers. Das Modell zündet besonders gut in Projektstrukturen: Wer sich hernach eine Auszeit nehmen kann, ist auch motiviert, punktuell mehr zu leisten. 
  3. Vertrauensarbeitszeit
    Wie der Name schon sagt, beruht dieses Arbeitszeitmodell auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist die tragende Säule, denn hier wird keinerlei zeitlicher Rahmen vorgegeben – einzig die Deadline der anstehenden Tasks. Anstelle des Chefs entscheiden Angestellte entlang der Aufgabenstruktur selbstständig, wie sie ihre Arbeitszeit einteilen, um das verlangte Pensum abarbeiten zu können. Das eigene Stundenkontingent in Balance zu halten, ist Sache des Angestellten. Enorm wichtig dabei: Realistische Zielvereinbarungen. Sonst droht das Modell, Mitarbeitende zu überlasten und die potenziell motivierende Freiheit ins Negative zu kehren. 
    Vertrauensarbeitszeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Arbeiten ohne Zeitvorgaben muss gelernt sein – nicht allen Angestellten ist Zeitmanagement gleichermaßen in die Wiege gelegt und muss gegeben Falls durch den Arbeitgeber nachgeschult werden.  
  4. Teilzeit
    28 Prozent der deutschen Arbeitnehmenden arbeiteten 2022 in Teilzeit – das Modell gehört in nahezu allen Branchen zur gängigen Praxis in Sachen flexibles Arbeiten. Hierbei legen Mitarbeitende und Arbeitgeber gemeinsam fest, welcher Anteil der Vollzeitstelle geleistet werden soll. Die Wochenstunden der Teilzeitarbeit können individuell auf die gesamte Woche verteilt werden. Tägliches Arbeiten oder Arbeit an einzelnen Wochentagen – in Teilzeit ist beides möglich.
    Teilzeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Während Arbeitnehmenden etwa durch Teilzeitarbeit ermöglicht wird, Familie und Karriere zu vereinen oder eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu verbuchen, erzeugt das Modell auf Seite des Arbeitgebers etwas erhöhten organisatorischen Aufwand. Andererseits profitiert er von produktiveren Mitarbeitenden.
  5. Jobsharing
    Eine Variante des Teilzeitmodells stellt das Jobsharing dar: Zwei in Teilzeit arbeitende Mitarbeitende teilen sich hierbei sämtliche anfallenden Aufgaben einer Vollzeitstelle. Je nach Absprache arbeiten sie im Wechsel – vormittags und nachmittags, aufgeteilt nach Wochentagen oder im wöchentlichen Rhythmus. Wie die Wochenarbeitsstunden der Vollzeitstelle aufgeteilt werden, kann flexibel entschieden werden. 
    Jobsharing im Check – Vorteile vs. Nachteile: Weil Tasks übergeben und Inhalte abgestimmt werden müssen, fällt Kommunikationszeit zwischen den beiden Partien des Job-Tandems an. Die Auswahl von Bewerbenden für Jobsharing-Stellen muss zudem nicht nur doppelt getroffen werden: Dem zwischenmenschlichen Fit sollte zudem unbedingt ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Denn für die erfolgreiche Stellenteilung sollte das Duo harmonieren und ähnlich qualifiziert sein – außerdem braucht es eine gewisse Zeit, bis sich Abläufe eingespielt haben. Den Aufwand lohnen zufriedene Mitarbeitende, die sich ideal gegenseitig bei Krankheit oder Urlaub vertreten können.
  6. Schichtarbeit
    In Produktion und Logistik, in Medizin und Pflege, im Dienstleistungssektor: Das Schichtmodell ist in Deutschlands Arbeitslandschaft fest verankert. Ähnlich wie im Jobsharing-Modell sind hier zwei oder mehr Mitarbeitende für identische Tasks verantwortlich – allerdings jeweils im Rahmen einer Vollzeitstelle mit maximal acht Arbeitsstunden pro Arbeitstag. Je nach Schichtmodus wechseln sich die Mitarbeitenden zu festgelegten Zeiten ab und rotieren dabei intervallmäßig durch die verschiedenen Schichten. 
    Schichtarbeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Flexibilität für Arbeitnehmer bietet hier etwa das mögliche Tauschen von Schichten – wer zur Frühschicht einen wichtigen Termin hat, kann in Absprache auch die Spätschicht übernehmen. Allerdings besteht darüber hinaus wenig Wahlmöglichkeit: Auch Schichten, die nicht dem eigenen Bio- und Lebensrhythmus entsprechen, müssen nach dem Schichtplan des Arbeitgebers bedient werden. Das sorgt zwar einerseits für eine sichere Auslastung, drückt jedoch auch potenziell die Motivation der Mitarbeitenden.
  7. Jahresarbeitszeit/Jahresteilzeitarbeit
    Im Weinbau gibt es Phasen, die besonders arbeitsintensiv sind – im Wechsel mit solchen, die weniger aufwändig sind. Für Arbeitsumfelder, die wie dieses starken saisonalen Schwankungen unterliegen, bietet es sich an, das Nettokontigent der zu leistenden Arbeitsstunden auf das ganze Jahre hin zwar grob festzuhalten, doch entsprechend des Arbeitsvolumens der jeweiligen Phase mehr oder weniger tägliche Arbeitsstunden anzusetzen. Das kann etwa auf Abruf geschehen, um sich den Witterungsverhältnissen anzupassen oder bei planbaren Einsätzen wie in der Eventbranche auch nach langfristigen Plänen. 
    Jahresarbeitszeit/Jahresteilzeitarbeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Arbeitgeber profitieren von einem flexibel einsetzbaren Personalstamm, der ihre Spitzen gut abdecken. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist dieses Modell jedoch mit phasenweise ausgeprägter Planungsunsicherheit verbunden. Zudem verhindern die beständig wechselnden Arbeitszeiten einen wirklichen Rhythmus – andererseits wird auch in Monaten mit geringer Arbeitsbelastung das gleiche Gehalt ausgezahlt, in Vollzeit wie in Teilzeit.
  8. Lebensarbeitszeit
    Ein Jahr Jobpause, früher als vorgeschrieben in Rente gehen – das Modell der Lebensarbeitszeit macht Vorhaben wie diese durch ein langfristig angelegtes Zeitkonto möglich. Hier können Überstunden angespart und je nach Vereinbarung in größeren Abschnitten genommen werden. 
    Lebensarbeitszeit im Check – Vorteile vs. Nachteile: Die Option zum Sabbatical macht Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv – gleichzeitig muss jedoch auch eine Strategie für den Insolvenzfall bereitliegen, um die angesammelten Stunden als Wert zu erhalten.  
  9. Homeoffice
    Statt jeden Arbeitstag im Büro zu verbringen, ermöglicht das Homeoffice-Modell Mitarbeitenden von Zuhause aus zu arbeiten. Start- und Endzeit des Arbeitstages sowie der zeitliche Umfang werden in Absprache mit dem Arbeitgeber festgelegt. Häufig sind neben dem Remote-Arbeiten auch ein bis zwei Präsenztage gewünscht. 54 Prozent der deutschen Arbeitnehmer arbeiten zumindest gelegentlich in Form von Telearbeit.
    Homeoffice im Check – Vorteile vs. Nachteile: Angestellte profitieren daheim von einer ruhigen Arbeitsumgebung, die sie deutlich produktiver werden lässt. Die Pendelzeit kann zudem privat genutzt werden – ebenso entfallen die Kosten für den Arbeitsweg. Essenziell ist hingegen Selbstdisziplin, da in den eigenen vier Wänden eine Vielzahl von Ablenkung und privaten To-dos lockt. Außerdem muss für die soziale Schmiere im Team proaktiv gesorgt werden, da sich Kollegen nun nicht mehr automatisch am Kaffeeautomaten begegnen. Pluspunkt für den Arbeitgeber im Recruiting: Talente aus anderen Städten oder Wohnorten in der Provinz rücken per möglicher Homeoffice-Vereinbarung leichter in den Bewerberpool. 

Alles Rechtens? Quick-Guide für die rechtlichen Rahmenbedingungen bei flexiblen Arbeitszeiten

Flexibles Arbeiten sollte unbedingt auf ein solides rechtliches Grundgerüst gebaut sein, um die positiven Effekte für beide Seiten zu maximieren. Sonst verkommt der gewonnene Spielraum zur Gestaltung schnell zum Motivationskiller und Streitpunkt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Arbeitsrechtlich relevant sind dabei insbesondere   

  • … die vertragliche Fixierung. Unabhängig vom gewählten Modell ist es beim Wechsel der Konditionen oder bei Antritt einer neuen, zeitlich flexiblen Stelle unabdingbar, wichtige Details wie Arbeitszeiten, Urlaubsanspruch und Gehaltsanspruch so konkret wie möglich festzuhalten. 
  • … die Arbeitszeiterfassung. Das Bundesarbeitsgericht entschied im September 2022: Arbeitgeber sind verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden zu dokumentieren. Dies gilt auch dann, wenn flexible Modelle wie etwa Vertrauensarbeitszeit gewählt wurden. Eine Befragung der BAuA ergab: 66 Prozent der befragten Unternehmen arbeiten hierfür bereits mit einem Arbeitszeitkonto. 
  • die Regelungen im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Hier werden sämtliche Rahmenbedingungen für Arbeitsverträge im Kontext von flexiblen Arbeitsmodelle aufgeführt – Pflichtlektüre für Arbeitgeber. Weitere wichtige Vorschriften sind etwa das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), das Beschäftigungsförderungsgesetz (BeschFG) und das Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfg) sowie der Jugendarbeits- (JuArbSchuG) und der Mutterschutz (MuSchuG).  
  • das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Werden flexible Arbeitszeitregelungen eingeführt und ausgestaltet, darf der Betriebsrat in vielen Punkten laut BetrVG § 87 mitbestimmen.  

Flexibel am Start: So einfach lassen sich flexible Arbeitszeitmodelle erfolgreich umsetzen 

 Um flexible Modell erfolgreich in das eigene Unternehmen zu implementieren, geben folgende Pro Tipps eine erste Orientierung für Ihren Fahrplan:  

  • Ausgangslage analysieren: Einen Schritt zurücktreten und die eigenen Anforderungen herausarbeiten. Relevante Faktoren sind hierfür etwa Arbeitsort, Öffnungszeiten, Lage der Aufträge, bisherige Personaleinsatzplanung und die Wünsche der Belegschaft.  
  • Modell wählen: Bei der Wahl des passenden Arbeitszeitmodell gilt es neben den internen Konditionen auch gesetzliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Ebenso kann es helfen, neben dem Management das Team bei der Wahl einzubeziehen und die Vor- und Nachteile der Modelle gemeinsam abzuwägen.  
  • Details ausarbeiten: Nachdem sich für eine der flexiblen Optionen entschieden wurde, steht die Ausarbeitung von expliziten Regularien an.  
  • Wie viele Stunden müssen im flexiblen Modell im Gegensatz zur Normalarbeitszeit geleistet werden?  
  • In welchem Zeitrahmen sind die Aufgaben zu erledigen? Dazu gehören etwa Gleitzeitspannen, Modi der Arbeitszeitkonten sowie der Umgang mit Überstunden. 
  • Wo wird gearbeitet? Dürfen Mitarbeitende remote aus dem Homeoffice Tasks erledigen oder müssen sie im Büro anwesend sein? In welchem Umfang darf zwischen den Varianten gewechselt werden?  

Intensiv ist dabei auch der konkrete Workflow im neuen Modell zu betrachten: Hierbei hilft es, Tasks strukturiert aufzubereiten, festzulegen, in welcher Form die Arbeitszeit dokumentiert wird und regelmäßige Termine für den kommunikativen Austausch im Team einzuplanen. Wichtig: Das Ergebnis sollte verständlich formuliert, transparent kommuniziert und verbindlich sein. 

  • Testphase: Wer das Modell in einem kleinen Teilbereich testet, gewinnt wichtige Erkenntnisse für die Gesamteinführung. Gegebenenfalls können Anpassungen vorgenommen werden und das Feedback der Mitarbeitenden eingeholt werden. 
  • Einführung. Kommunikation ist die halbe Miete – wird ein neues Modell eingeführt, ist es extrem relevant, das Team abzuholen und an das Thema heranzuführen. Wer auch nach der Arbeitszeitflexibilisierung evaluiert, erkennt, wo es Bedarf an Nachjustierung gibt, denn auch die eigenen Anforderungen an das Arbeitszeitmodell können sich im Laufe der Betriebsjahre durchaus deutlich ändern.